Braucht die Welt einen neuen Radfernweg?

Radfernweg Mathias Behrens-Egge

Erfahrungen am Beispiel des Innerste-Radweges

Auf der Anbieterseite wird der Ausbau guter Angebote weiter vorangetrieben. Jedes Jahr eröffnen neue Radfernwege, profilieren sich Regionen als Fahrraddestination. Ergebnis: steigender Wettbewerb starker Produkte um erfahrene und anspruchsvolle Kunden.
Die TMOs sehen die vielen neuen Produkte mit einer gewissen Skepsis, wissen sie doch um die starke Konkurrenz und die hohen Anforderungen an Produkt, Service und Vertrieb. Auch in Niedersachsen gibt es zahlreiche potenziell starke Radwege, an deren Qualität und/oder Vermarktung noch gearbeitet werden muss (z. B. Weser-Harz-Heide-Radweg, Aller-Radweg). Gibt es dennoch Gründe für die Entwicklung eines weiteren Radfernweges?

Fahrradtourismus als bedeutender Markt

Fahrradtourismus ist ein wichtiges Marktsegment: 30% der Deutschen fahren gern Rad, 22 Mio. Übernachtungen werden dem Fahrradtourismus zugeschreiben, bei rd. 80 Mio. Übernachtungen spielt das Fahrrad als Urlaubsaktivität eine Rolle – das entspricht rd. 20% des Übernachtungsvolumens in Deutschland. Hinzu kommen rd. 153 Mio. Fahrradtourismus-motivierte Tagesausflüge in Deutschland. Ein interessanter Markt also. Angesichts der Strukturdaten in Deutschland (Einwohnerentwicklung, Reiseintensität) sind signifikante Wachstumsraten allerdings nicht mehr zu erwarten. Impulse kann v. a. das Incoming setzen (Quellen: Grundlagenuntersuchung Fahrradtourismus, dwif/BTE 2010; Daten-Zahlen-Fakten Tourismus 2013, DTV, 2014)

Entwicklung des Innerste-Radweges

Die Anlieger an der Innerste haben sich im Rahmen der Arbeit von Leader Regionen auf ein gemeinsames Projekt „Innerste-Radweg“ verständigt. Auf überwiegend vorhandenen Radwegen guter Qualität bietet der Radweg einen feinen Querschnitt niedersächsischer Landschaften von Harz, Harzvorland bis hinunter in die Börde auf rd. 100 km Länge. Die Anliegerkommunen waren sich schnell darin einig, diesen Schatz gemeinsam zu heben, zumal Leader Mittel für die Umsetzung erreichbar schienen.

Exkurs: Leader Regionen im Tourismusmarketing

Viele Leader-„Regionen“ verstehen Leader nicht nur (richtig) als Möglichkeit, Projekte zu realisieren, sondern auch (falsch) als Instrument der Entwicklung von Tourismusregionen (als im Markt wahrnehmbare Wettbewerbseinheiten). Das kann nicht funktionieren, denn die Leader-Mittel reichen nie und nimmer aus, um kleine ländliche Räume zu positionieren. Schlimmer noch, entsprechende Versuche konterkarieren die Anstrengungen der TMOs, marktfähige Tourismusregionen zu positionieren.
Leader-Mittel sollten auf die Entwicklung von Produkten/Projekten konzentriert werden, die dann von bestehenden Vermarktungsorganisationen vertrieben und in das Dachmarketing der etablierten Tourismusregionen integriert werden.
Dabei geschieht es regelmäßig, das Produkte den Zuschnitt der Destinationen sprengen (Beispiel Elbe-Radweg). Das sollte kein Problem sein, so werden starke Angebote eben von mehreren Anrainer Destinationen vermarktet.

Werkstattbericht Innerste-Radweg

Die Anrainer am Innerste-Radweg haben sich über Grenzen der Städte, Gemeinden und sogar Landkreise hinweg auf die gemeinsame Entwicklung des Innerste-Radweges verständigt:

  • Vereinbarung von Routenverlauf, Zuwegen und Rundwegen
  • einheitliche/durchgängige Markierung und Beschilderung lt. FGSV Standard in einer eigenständigen Gestaltungslinie des Produktes
  • Entwicklung attraktiver Beschilderung und Möblierung
  • Auflage von Routeninformation (Internetseite, einfache Broschüre)
  • Übernahme der Pflege der Infrastruktur durch die Kommunen (kommunale Bauhöfe)
  • Übergabe von Werbung, Besucherinformation und Vertrieb an ein regional verankertes Tourismus-Marketing (federführend für das Produkt)

BTE wurde mit Konzept, Infrastrukturentwicklung und Marketing beauftragt. Die Finanzierung erfolgt unter Nutzung von Leader-Mitteln. Für die Herstellung von Info-Tafeln und Raststationen liegen Finanzierungszusagen aus Natur-Erleben und von der Bingo-Umweltstiftung vor (Kernanliegen: Vermittlung der Naturerlebnis-Qualitäten der zahlreichen Naturschutzgebiete an der Innerste). Der ADFC lieferte die Feinplanung der Route, wertvolle Tipps und das Beschilderungskataster.

Zwischen-Fazit

Der Innerste-Radweg ist durchgängig ausgeschildert, eine einfache Broschüre und ein erster einfacher Internetauftritt (www.innerste-radweg.de) stehen. Die zahlreichen Partner der Kommunen freuen sich über das gemeinsame Ergebnis ihrer guten Zusammenarbeit.
Besonders erfreulich ist der Schulterschluss mit dem Ehrenamt (Ortsälteste, Naturschutzverbände, ADFC), die sich stark in dem Projekt engagiert haben und sich über die Unterstützung der Kommunen bei der Realisierung freuen. Ein wichtiges Signal in die Bevölkerung.
Wertvoll ist das Ergebnis auch für die federführende Stelle im Landkreis Hildesheim. Lag diese doch bei der Naturschutzbehörde, die sich hier als konstruktiver und Angebote gestaltender Partner erwiesen hat.
Im Ergebnis ist der Innerste-Radweg mehr als nur ein feiner Radfernweg in Harz und Harzvorland. Das Projekt brachte weitergehende Mehrwerte: gute kommunale Zusammenarbeit und Schulterschluss über die Gemeindegrenzen hinweg sowie wertschätzende Einbindung und Anerkennung des Ehrenamtes.

Ein Beitrag von: Mathias Behrens-Egge