Wenn sich mehr als 100 Touristiker aus Rheinland-Pfalz treffen und sich in unterschiedlichen Sessions zu aktuellen Themen austauschen, dann ist wieder Barcamp-Zeit. Bereits zum 6. Mal trafen sich auf Einladung der Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH Touristiker aus dem ganzen Land (und darüber hinaus) zu zwei Tagen Diskussion auf Augenhöhe. Erstmals fand die Veranstaltung in diesem Jahr in der Hochschule Worms statt, wodurch auch die Studierenden des dortigen Studiengangs zu Wort kommen konnten.
Die Sessions waren vielfältig und reichten von Themen wie Open Data und Content über Auslandsmarketing und Drohnen hin zu ServiceQualität Deutschland und Innenmarketing. Gemeinsam mit Christian Halbig, Geschäftsführer der Rheinhessen-Touristik GmbH, nutze Silke Heck, die für BTE vor Ort war, auch die Gelegenheit, den gerade zu Ende gegangenen Crowdfunding-Contest IdeenReich Rheinhessen vorzustellen.
Wesentliche Erkenntnisse aus zwei ausgewählten Sessions – einmal zum Thema „Digitale Gästeinformation 24/7“ und zweitens zu der Frage, welche Auswirkungen Fridays for Future auf den Tourismus hat – haben wir zusammengetragen:
Gästeinformation 24/7: Infostelen an frequentierten Orten, QR-Codes statt Beacons
Das Thema Gästeinformation 24/7 beschäftigt uns schon eine Weile: Getreu dem Sprichwort „wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, muss der Berg zum Propheten kommen“ geht es immer mehr darum, Informationen für Gäste nicht nur in der Tourist-Information bereit zu halten, sondern dort, wo der Gast sich aufhält. Heißt: Digitale Touchpoints wie Infoscreens oder -stelen müssen dort aufgestellt werden, wo die Gäste tatsächlich sind. Neben hoch frequentierten POIs können das beispielsweise auch Foyers von örtlichen Banken oder auch beliebte Geschäfte, d.h. der Einzelhandel, sein. Dass die Tochpoints dort ihre Wirkung erfüllen und nachgefragt werden, hat Stefan Huber basierend auf Auswertungen der bisher durch hubermedia aufgestellten Screens und Stelen bestätigt. Auch öffentliche WLANs, die nach erfolgreichem Einloggen direkt auf Welcome Pages – und nicht etwa auf allgemeinee Seiten des Providers – führen, sind gute Lösungen. Dabei muss natürlich immer bedacht werden, dass den Gast vor Ort andere Dinge interessieren, als den Gast, der sich zuhause informiert. Das einfache Ausspielen der Internetseite ist also zu kurz gedacht: Im Fokus des Vor-Ort-Interesses stehen vor allem Veranstaltungen und Öffnungszeiten und beispielsweise keine Übernachtungsmöglichkeiten.
Push-Nachrichten und auch die Beacon-Technologie wurden in der Diskussion negativ bewertet: Da Google/Android Nearby Notifications, und damit eine Grundvoraussetzung, um Informationen eines Beacons zu empfangen, nicht mehr unterstützt, ist das Empfangen wieder mit einer zusätzlichen App verbunden, was die Verbreitung stark reduziert. Allgemein zeigen neuere Studien, dass mehr als 90% der Handynutzer Apps und auch Progessive Web Apps (PWAs) nicht erlauben, ihnen Push-Nachrichten zu schicken. Eine gute und nach wie vor aktuelle Lösung, um unterwegs einen „Einstieg“ aufs Smartphone zu ermöglichen, ist und bleibt also der QR-Code. QR-Codes sind sogar wieder interessanter geworden, weil mittlerweile in so gut wie jeder Handy-Kamera ein Reader integriert ist und keine extra QR-Code-Reader mehr nötig sind. Natürlich muss aber auch hier auf eine passende Seite gelinkt werden, die wieder getrackt wird und erfasst, wer den Code wo und wann eingescannt hat.
Übrigens: Auf dem Barcamp diskutiert wurde nur das Thema digitale Gästeinformation. Immer mehr Städte, Gemeinden und Regionen zeigen aber, dass es auch „analog“ möglich ist, dort zu sein, wo der Gast ist. Fernab der Digitalisierung möchte das beispielsweise TIMO, das Tourist-Informations-Mobil in Form einer Ape realisieren. Das Projekt der Verbandsgemeinde Nieder-Olm wurde gerade erfolgreich im Crowdfunding-Contest IdeenreichRheinhessen finanziert.
Fridays for Future: Bewusstseinsbildung als Chance im Deutschlandtourismus
Dass die Fridays for Future-Bewegung auch Kommunen und damit den Tourismus erreicht hat, zeigte Anfang Mai die Stadt Konstanz, die offiziell den Klimanotstand ausrief. Noch bleibt offen, ob die aktuelle, zumindest gefühlt stärkere Wahrnehmung und Präsenz des Themas nur eine temporäre Erscheinung ist, oder ob das Thema dauerhaft wichtig bleibt und zu einem Umdenken von Gästen führt. In der Vergangenheit ist es – wie u.a. die Reiseanalyse zeigt – ja eher so, dass es eine Lücke zwischen Einstellung und tatsächlichem Handeln, also Wunsch und Wirklichkeit, gibt. Zwar geben viele der Befragten an, dass sie es wichtig finden, dass Tourismusangebote nachhaltig sind, die Anzahl der tatsächlich durchgeführten nachhaltigen Reisen blieb bisher aber gering (ca. 3-6% aller Reisen).
Welche Auswirkungen hätte es aber für den Tourismus in Rheinland-Pfalz und gesamt Deutschland, wenn sich immer mehr Menschen mit nachhaltigen Themen auseinandersetzen? Einerseits heißt es für Kommunen und Betriebe, sich stärker mit der Thematik zu befassen und dies dem Kunden gegenüber auch zu artikulieren. Wie das geht, zeigen gute Beispiele wie die Klimainsel Juist, die Föhrer Netzwerk-Initiative „Plastikfrei wird Trend“ oder andere Projekte, die beispielsweise mit den beiden vergangenen Bundeswettbewerben als Nachhaltige Tourismusdestination ausgezeichnet wurden. Wertvolle Tipps liefert hier auch der von Dirk Dunkelberg, stellvertretender Geschäftsführer des DTV, auf dem Barcamp als „Bibel“ bezeichnete Praxisleitfaden „Nachhaltigkeit im Deutschlandtourismus“, den BTE im Auftrag des DTV und gefördert mit Mitteln des BMU erstellt hat.
Die nachhaltige Ausrichtung von Tourismusangeboten ist aber kein notwendiges Übel, sondern vielmehr eine wahnsinnig große Chance für den Deutschlandtourismus. Gerade hier liegt doch ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil, den Deutschlandurlaub gegenüber Fernreisen, Kreuzfahrten etc. hat: Wir haben mit Blick auf ÖPNV, Mülltrennung etc. bereits gut funktionierende Infrastrukturen, die in vielen Bereichen im internationalen Vergleich vorbildlich sind (wobei natürlich klar ist: Besser geht immer!). Jetzt muss ein Fokus auf eine nachhaltige Angebotsgestaltung gelegt werden. Das fängt schon im Kleinen damit an, dass Wander- und Radwege, aber auch Betriebe mit dem ÖPNV oder einem Shuttle-Angebot zu erreichen sind und das auch entsprechend kommuniziert wird. Häufig fehlt es – besonders kleinen Betrieben – dazu an Wissen. Hier setzt das von BTE kürzlich begleitete Projekt „Qualifizierungsoffensive: MICE-Markt der Zukunft“ von Tourismus NRW an: In Self-Checks und mit Hilfe von Erklärvideos können sich KMUs hier im Bereich „Nachhaltig Tagen“ weiterbilden.
Ein herzliches Dankeschön an die Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH für die Organisation, die Hochschule Worms mit den Studierenden für den guten Austragungsort und alle „Mit-Camper“ für den offenen Austausch. Wir freuen uns schon auf das nächste Barcamp am 22 und 23. April 2020.
Weitere Infos unter:
https://barcamp.tourismusnetzwerk.info/
Ansprechpartner:
Silke Orth
Foto oben: Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH
Impressionen vom Barcamp 2019