Am Freitag, den 9. Juni 2023, fand die erste von drei Themenexkursionen zum Thema „Baukultur und Tourismus in der Uckermark“ nach Gerswalde statt.
In Gerswalde widmeten wir uns dem Thema „Von der kulturellen Inszenierung von Denkmalen hin zum nachhaltigen Bauen am Beispiel eines Strohballenhauses“. Bei strahlendem Sonnenschein versammelten sich 17 Teilnehmende vor der Kulisse der Ruine der Wasserburg Gerswalde, um nach einem Impuls durch Juliane Koch von BTE zur Vermittlungsarbeit in Denkmälern den Ausführungen des Fördervereins der Wasserburg Gerswalde zu lauschen: Seit 27 Jahren hat der Verein das Nießbrauchrecht über die Burg von der Gemeinde, bereitet Vorschläge zur Sanierung und Zugänglichkeit auf (z.B. eine neue Treppe in das Burggelände hinein) und organisiert ein breites Veranstaltungsprogramm in Abstimmung mit der Gemeinde – darunter auch Konzerte mit bis zu 400 Gästen und ein beliebtes Sommerkino. Der Förderverein Burg Gerswalde wirkt auch integrativ und identitätsstiftend, er besteht aus Neubürgern und Alteingesessenen, junge und ältere Menschen arbeiten hier zusammen. Es ist der wichtigste Verein in Gerswalde und ein Beispiel für Bottom-Up-Ansätze in der Sanierung und im Betrieb eines Kulturdenkmals. Mit unglaublich großem ehrenamtlichem Engagement treibt der Verein in kleinen aber steten Schritten die Entwicklung voran. Dazu gehört auch die Barrierefreiheit – Anet Hoppe von der Tourismus Marketing Uckermark GmbH nennt es „Komfort für alle“. Man müsse bedenken, dass jeder – auch zeitweise – z.B. auf eine Gehhilfe angewiesen sein kann und dann einen barrierefreien Zugang erwartet. Eine lösungsorientierte Herangehensweise muss hier die Kooperation zwischen Denkmalschutz und weiteren Netzwerkpartnern bestimmen. Johanna Henschel vom Tourismusverein Angermünde e.V. betonte zudem den Zusammenhang von Architektur und wirtschaftlich rentablen Betreiberkonzepten z.B. bei der Findung von gastronomischen Lösungen.
Zweite Station war das sich im Privatbesitz befindliche Strohballenhaus in Gerswalde. Hier gab Jürgen Peters von der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung eine Einführung in das Thema landschaftsbezogenes und nachhaltiges Bauen. Das Bauen mit Holz, Stroh und Lehm bindet mehr CO2 als es im Bauprozess ausstößt und reduziert den Ressourcenverbrauch: Nach der Lebensdauer des Gebäudes verbleiben keine problematischen Abfallstoffe zurück. Alle Materialien sind recycelbar oder lassen sich in den Naturkreislauf zurückführen. Auch die Energieautarkie und der Wasserkreislauf sind Merkmale des landschaftsbezogenen Bauens.
Die Eigentümerin Vera Hemme erläuterte den Bau und die Konstruktion des Strohballenhaus. Es wurde 2019 überwiegend mit lokalen Firmen sowie einigen Spezialisten von außerhalb gebaut. Stroh ist seit 2014 als Baustoff anerkannt. Das Stroh und der Lehm wurden aus Niedersachsen angeliefert. Der Lehmputz hat eine Stärke von 4 cm, durch die diffusionsoffenen Wände entsteht ein angenehmes Raumklima. Ein kleines „Fenster der Wahrheit“ offenbart heute noch die Sicht auf das Stroh: Es wurde nicht verputzt, sondern nur mit Glas zur Innenwand hin abgedeckt. Wer sich über den Strohbau informieren möchte, findet beim Fachverband für Strohballenbau alle wichtigen Informationen (www.fasba.de)
Ein großer Lehm-Ofen, der mit Holz beschickt wird, ist die Hauptheizung, hierüber wird auch das Wasser erwärmt, unterstützt durch eine Solar-Thermie-Anlage. Die Gasheizung dient als Backup, hier liegt der Verbrauch bei 7.000 bis 10.000 kWh, außerdem verbraucht die Familie fünf Schüttraummeter Holz pro Jahr. Im Garten gibt es eine 5 m³ große Zisterne, mit dem hier gespeicherten Dachwasser wird der Garten versorgt, der nach den Prinzipien der Permakultur gestaltet wird.
Familie Hemme wandte sich bereits im Bauprozess der Dorfgemeinschaft zu: Als „Mitmachbaustelle“ konzipiert, wurde das Stroh in das Holzständerwerk eingebracht. Zudem gab es einen „Tag der Offenen Tür“, an dem sich die örtliche Bevölkerung über die Bauweise informieren konnte.
Beide Beispiele der Exkursion zeigten, welch großes Engagement hinter einer belebten und nachhaltigen Baukultur steht.
Die Veranstaltung fand im Rahmen des Projektes „Konzept zur Inwertsetzung eines modellhaften Lösungsweges Baukultur und Tourismus im Landkreis Uckermark sowie im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin“ im Auftrag des Landkreises Uckermark statt. Das LEADER-geförderte Projekt wird fachlich begleitet von Prof. Jürgen Peters, Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) und BTE Tourismus- und Regionalberatung.