Dr. Alexander Schuler zu veränderten Rahmenbedingungen
Das BMWi informierte am 18. Mai Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände über einen ersten wichtigen Teilerfolg auf Europäischer Ebene (siehe News vom 22.5.2017). Ich möchte nun die Gelegenheit nutzen, dies kurz zu bewerten. Wichtig ist hierbei: Der Erfolg bezieht sich auf das Beihilfe- aber nicht das Vergaberecht. Hier lauern immer noch Gefahren für die Tourismusorganisationen.
Wie können sich Tourismusorganisationen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene EU-Beihilferechtskonform und zukunftsfähig aufstellen? Diese Frage beschäftigt seit einigen Jahren die Akteure auf den verschiedenen Ebenen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) setzt auf eine Erweiterung der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO), um einen Tourismusfreistellungstatbestand – d.h. auf eine generelle Ausnahmeregelung für den Tourismusbereich auf europäischer Ebene.
In Gesprächen mit dem BMWi konnte der Deutsche Tourismusverband e. V. (DTV) erreichen, dass im Rahmen der öffentlichen Konsultation (sog. „kleine AGVO-Reform“) der Europäischen Kommission zum Entwurf der AGVO auch eine Erweiterung um einen Freistellungstatbestand für Beihilfen im Tourismus eingebracht wurde. Ziel ist es, staatliche Beihilfemaßnahmen für bestimmte touristische Zwecke und Aktivitäten von der Anmeldungs- und Genehmigungspflicht freizustellen.
Grundsätzlich wird in dem Schreiben Bezug genommen auf Art. 107, Abs. 1 der AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der EU) wonach “… staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar (sind), soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.“ Beihilfen sind nach Art. 108, Abs. 3 der AEUV der Kommission anzumelden. Dies muss nicht erfolgen, wenn die Voraussetzungen für einen Freistellungsbeschluss vorliegen und die Beihilfen in der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) erfasst sind.
Nachfolgend meine kurze Einschätzung zu den im Schreiben genannten Positionen.
Etliche Aktivitäten von öffentlichen Tourismusorganisationen seien bereits nicht-wirtschaftlich und daher nicht beihilferelevant und das übliche allgemeine Destinationsmarketing sei als beihilfefrei zu werten.
Als „allgemeines Destinationsmarketing“ kann im Sinne des Neutralitätsprinzips (keine Leistung für eine fest definierten Nutzerkreis mit Gegenleistung) das allgemeine Imagemarketing (Imageprospekt, Webseite mit Imagewerbung, Messeteilnahme, Gästeinformation in der Tourist Information etc.) verstanden werden. Die finanziellen Ressourcen einer TO werden hierfür auch vorwiegend aufgewendet. Hierin liegen wesentliche Kernaufgaben einer TO. Es sind Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (DAWI). Darüberhinaus werden allerdings weitere Leistungen angeboten (Ticketing, Verkauf von Souvenirs, Radverleih etc.), die sehr wohl als wirtschaftlich betrachtet werden können. Hierfür gibt es einen Mark und demnach auch Wettbewerber. Der wirtschaftliche Ertrag ist jedoch in der Regel verhältnismäßig gering. Dies ist von Tourismusorganisation zu Tourismusorganisation allerdings unterschiedlich.
In vielen anderen Fällen könne zudem davon ausgegangen werden, dass diese nicht geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.
Für die Europäische Kommission musste bisher keine unmittelbare Wettbewerbsverfälschung vorliegen, eine mittelbare Verfälschung oder das Potential für eine Beeinträchtigung des Marktes waren ausreichend. Die Kommission hat nun scheinbar erkannt, dass eine Wettbewerbsverfälschung für die überwiegende Anzahl an lokalen oder regionalen Tourismusorganisationen nicht zutrifft.
Lokale Begrenzung der Auswirkungen der Zuwendungen (Beispiel Erfurt)
Beihilfen, die lediglich auf lokaler oder nationaler Ebene zu Wettbewerbsverzerrungen führen und bei denen eine grenzüberschreitende Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels ausgeschlossen ist, fallen nicht unter das Beihilfeverbot. Leistungen der Daseinsvorsorge, wie die allgemeine Tourismusförderung/Destinationsvermarktung, für ein räumlich begrenztes Gebiet, beeinträchtigen den Markt normalerweise nicht. Bisher hat in der Praxis die Kommission die lokale Begrenztheit nur sehr selten als Kriterium zu Verneinung der Beihilfe angesehen. Mit dem Urteil in Bezug auf Erfurt ist dies tatsächlich als Erfolg zu werten.
Zwischenfazit zum verminderten Risiko im Beihilferecht für Tourismusorganisationen
Grundsätzlich lässt sich in der Praxis bereits heute eine beihilfekonforme Gestaltung dadurch umsetzen, dass die Gesellschaft mit Leistungen der Daseinsvorsorge, nämlich der Tourismusförderung als Teil der Wirtschaftsförderung, nach dem Freistellungsbeschluss der Europäischen Kommission betraut wird. Eine Betrauung nach dem Freistellungsbeschluss muss nicht bei der EU-Kommission angemeldet (notifiziert) werden. In einer Trennungsrechnung sind die betrauten bzw. nicht-wirtschaftlichen Leistungen von den wirtschaftlichen Leistungen zu trennen. So wird sichergestellt, dass Leistungen des wirtschaftlichen Bereichs nicht wettbewerbsverzerrend durch Fördermittel des nicht-wirtschaftlichen Bereichs quersubventioniert werden.
Um noch mehr Rechtssicherheit zu erhalten, ist es das Ziel, den Tourismus in Art. 13 (Regionale Investitions- und Beschäftigungsbeihilfen) der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) unterzubringen. Dies scheint tatsächlich auf einem guten Weg zu sein. Erfolgt ist es allerdings noch nicht. Scheinbar scheint mit diesem Zwischenschritt allerdings das Risiko für eine Prüfung der Tourismusorganisationen durch die Europäische Kommission gesunken zu sein. Ein Restrisiko bleibt und die Notwendigkeit, sich die Aufgaben im Detail anzuschauen. Jede Tourismusorganisation bedarf deshalb nach wie vor einer Einzelprüfung.
Das Risiko im Bereich fehlender Rechtskonformität im Vergaberecht bleibt bestehen
Nicht berührt von dem Teilerfolg bei der EU-Kommission sind die Verpflichtungen des Vergaberechts. Grundsätzlich besteht für die mit öffentlichen Mitteln finanzierten Leistungen eine Ausschreibungspflicht. Ausnahmen können sein:
- Kein öffentlicher Auftrag i.S.d. § 103 GWB (z.B. Eigenerledigung als Teil der Verwaltung)
- Freihändige Vergabe/Verhandlungsverfahren
- In-House-Geschäft nach § 108 GWB für die wiederum weitere Bedingungen gelten (siehe Blogbeitrag vom 23.4.2015 und Link unten).
Ein Beitrag von: Dr. Alexander Schuler