Herausforderung im Kontext von Beihilferecht, Abgaben und Bettensteuer sowie neuen Finanzierungsformen
Auf dem DestinationCamp 2015 war ich eingeladen, einen Impulsvortrag zum Thema „Von öffentlicher zu privater Finanzierung: Immer noch ein Muss im Change-Prozess?“ zu halten. Die Themen EU-Beihilferecht, Tourismusabgaben und allgemein neue Finanzierungswege zogen sich durch alle Sessions am Wochenende. Fazit und roter Faden des Camps war schließlich: WANDEL beginnt bei uns. Sehr schön und treffend angesichts aktueller Herausforderungen. Nachfolgend nun einige Auszüge und Folien aus meinem Vortrag.
Den Aufgaben folgt die Struktur und Finanzierung, nicht umgekehrt
Angesichts veränderter Rahmenfaktoren müssen sich Destinations-Management-Organisationen (DMO) wandeln. Treiber für diese Veränderung sind u.a. folgende:
- Zunehmender Wettbewerb der Plattformen: Neben klassischen Buchungsplattformen auch branchenfremde Anbieter, die Leistungen des Marktes oftmals besser anbieten können als öffentlich durchdrungene Tourismusorganisationen (TO)
- Kostendruck führt zu größeren Budgets: Nicht nur Marketingkosten, sondern auch Anforderungen im Management, auch konkurrierende DMOs restrukturieren sich seit Mitte der 1990er Jahre
- Differenzierung der Kundenbedürfnisse: Aus kurzfristigen, situativen Buchungsverhalten folgt die Notwendigkeit einer stärkeren Integration von Produktentwicklung, Marketing und Leistungserbringung
- Neue Technologien: Neben Innovationen wie Augmented Reality vor allem alle mobilen Anwendungen. Hieraus folgt ebenfalls eine Integration von Produktentwicklung, Vermarktung und Kundenbuchungsprozessen
Um diesen Treibern zu begegnen, sollten meiner Auffassung nach folgende weitere Justierung der Aufgaben vorgenommen werden:
- Konsequente Ausrichtung auf Zielmärkte: Kein Gieskannenprinzip, sondern basierend auf Marktforschungserkenntnissen konsequente Ausrichtung
- Professionelle Kundenkontaktzentren: 24/7-Erreichbarkeit entlang des Customer Journeys
- Durchgriff auf Spezialangebote: Buchbare, zielgruppenorientierte und attraktive Produkte. Die DMO wird zum Produzenten oder Impulsgeber für die Entwicklung der Destination und Inszenierung von buchbaren und erlebnisreichen Produkten.
- Zugang zu Key-Accounts: Kontaktaufnahme und Bindung von Business-Kunden mit hohem Nachfragevolumen
Hieraus resultiert eine stärkere Verlagerung der Aufgaben von außen nach innen (siehe Abbildung „Neue Rolle der DMO“). Die DMO und ihre Manager müssen nach innen als Moderatoren, Impulsgeber und Netzwerker stärker auf die Angebots- und Produktentwicklung wie Inszenierung der Destination und deren Qualitäten einwirken. Zentral werden sie weiterhin im informierenden Marketing ihre Funktionen erfüllen. Nach außen gilt es, mit kooperierenden Vertriebspartnern bestmöglich die Produkte am Markt zu positionieren. Ferner muss müssen an den Zielgruppen ausgerichtet Key-Accounts für größere Kundengruppen gefunden und an die Destination gebunden werden.
Eine wilde Gemengelage: Kurtaxe, Tourismusabgabe, Bettensteuer
In der aktuellen Diskussion um die Finanzierungsinstrumente Kurtaxe, Tourismusabgabe, Bettensteuer ist derzeit eine Menge Druck auf dem Kessel. Die Abbildung mit der Word-Cloud gibt einen groben Überblick über den aktuellen Stand. Darüber hinaus haben oder sind einige Bundesländer derzeit dabei, ihre Kommunalabgabengesetze (KAG) zu überarbeiten und für eine möglichst rechtssichere Anwendung anzupassen. Da sowohl in der Diskussion unter Touristikern wie in den Medien die Instrumente gern immer mal wieder durcheinander gewürfelt werden, hier noch einmal ein kleiner Überblick:
- Kurtaxe (oder Kurabgabe, Kurbeitrag): Abgabe besonderer Art, Abgabepflichtig ist der Gast, Kalkulation orientiert an entstehendem Aufwand (Gruppennutzen), Vorteile durch Gast oftmals über Gästekarte kommuniziert, zweckgebunden
- Tourismusabgabe (oder Fremdenverkehrsabgabe): Gestaffelter Beitrag von Personen und Unternehmen, die einen wirtschaftlichen Nutzen ziehen (Hotels, Taxiunternehmer, Handwerker etc.), zweckgebunden
- Bettensteuer (oder Kulturabgabe, City Tax): örtliche Aufwandssteuer, besteuert werden die gewerblichen, privaten Übernachtungen, nicht-zweckgebunden.
Wichtig und zentral: Kurtaxe und Tourismusabgabe als Beiträge berücksichtigen am besten das fiskalische Äquivalenzprinzip, das heißt diejenigen an den Kosten für die Entwicklung und Vermarktung des Tourismus zu beteiligen, die auch einen Nutzen davon haben. Die Instrumente werden auch zweckgebunden erhoben und müssen somit für den Tourismus eingesetzt werden. Anders ist es bei der BettenSTEUER. Das steuerliche Aufkommen kann – trotz politischer Versprechungen – in der nächsten Legislaturperiode bei entstehenden Haushaltslücken im allgemeinen Steuersäckel verschwinden.
Die Bettensteuer ist darüber hinaus wenig rechtssicher. Das zeigen die unterschiedlichen und zum Teil widersprüchlichen Gerichtsurteile in den verschiedenen Bundesländern. Das jüngste Urteil zur Kurtaxe in Dresden (10/2014) zeigt allerdings, dass auch die Kurtaxe rechtlich nicht immer auf sicheren Füßen steht. Notwendig ist deshalb eine Überarbeitung der Kommunalabgabengesetze, um den Kommunen die Chance und Anreiz zu bieten, die Instrumente sicher nutzen zu können.
EU Beihilferecht, Steuer- und Vergaberecht: starke Treiber für eine Restruktierung der DMO
Das neue EU Beihilferecht, Steuer- und Vergaberecht ist aktuell vermutlich der stärkste Treiber für eine organisatorische Neustrukturierung der Tourismusorganisationen auf lokaler, regionaler und Landesebene. Vielen ist denke ich noch gar nicht bewusst, was spätestens ab April 2016 auf die Unternehmen zurollt. Und Tourismusorganisationen werden von der EU nämlich als Unternehmen gesehen. Die Rechtsform spielt hierbei keine Rolle. Grundsätzlich sind die bisher oftmals ohne vertragliche Grundlage gewährten Zuschüsse an die Tourismusorganisationen nicht rechtskonform, da sie eine wettbewerbsverzerrende Beihilfe darstellen. Es sei denn, es liegt ein Betrauungsakt vor: „Das beihilfeempfangene Unternehmen (TO) ist vor dem Empfang der Beihilfe durch einen besonderen Formalakt (z.B. Beschluss) der beihilfegewährenden Stelle mit der Erbringung von DawI „betraut“ worden.“ Der Betrauungsakt besteht aus einem oder mehreren Rechtsakten:
- Die vertragliche Betrauung durch zivilrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Vertrag (Dienstleistungsauftrag, Geschäftsbesorgungsvertrag oder Zuwendungsvertrag), oder
- Die Betrauung durch Verwaltungsakt oder durch eine Betriebssatzung bzw. einen Gesellschaftsvertrag oder Vereinssatzung
Wichtig ist immer ein Grundsatzbeschluss des öffentlichen Zuwendungsgebers. Aber auch nicht jede Beihilfe ist betrauungsaktpflichtig. Es gelten verschiedene Schwellenwerte (siehe Abbildung).
Wenn sowohl Dienstleistungen von allgemeinen wirtschaftlichen Interesse (DawI) als auch Aufgaben nicht-wirtschaftlicher Art (Daseinsvorsorge, allgemeine Tourismusförderung) übernommen werden, muss ferner in der Buchhaltung eine Trennungsrechnung erfolgen.
Es gilt schließlich im Vergaberecht der Grundsatz der Ausschreibungspflicht. Eine Tourismusorganisation kann damit nicht einfach weiterhin so z.B. vom Landkreis mit bestimmten Aufgaben beauftragt werden. Es sind aber sogenannte Inhouse-Vergaben möglich, wenn zwei Prinzipien gelten:
- Kontroll-Kriterium (Prinzip Nichtdabeisein): Der öffentliche Auftraggeber muss über seinen Vertragspartner Kontrolle ausüben können. Eine direkte Beteiligung von bereits 1% eines privaten Gesellschafters widerspricht diesem Prinzip bereits. Heißt: keine privaten Gesellschafter in z.B. Tourismus-GmbHs.
- Wesentlichkeits-Kriterium (10/20%-Regel): Die Aufgaben der TO muss diese wesentlich für den/die öffentlichen Auftraggeber verrichten. Als wesentlich gelten 90%, zukünftig 80%. Drittumsätze sind somit nur noch im Rahmen von 10-20% möglich. Dies schränkt den Umfang der eigenen Erträge und den Umfang der Möglichkeiten eigener wirtschaftlicher Tätigkeiten stark ein.
Und schließlich besteht ein Spannungsverhältnis zwischen Beihilfe und Steuerrecht. Und zwar:
- Je beihilferechtskonformer, desto wahrscheinlicher die Umsatzbesteuerung: D.h. es wird auf vertraglicher Basis (Betrauungsakt) davon ausgegangen, dass es zu einem Leistungsaustausch zwischen Auftraggeber und TO kommt. In diesem Fall handelt es sich um einen unechten Zuschuss und es werden 19% Umsatzsteuer fällig.
- Je abstrakter die Formulierung, desto günstiger aus Sicht des Umsatzsteuerrechts, aber desto wahrscheinlicher der Verstoß gegen Maßgaben des Beihilferechts. In diesem Fall handelt es sich eher um einen echten Zuschuss, der keine konkrete Leistung formuliert. Eine Steuerbarkeit kann damit vermieden werden.
Neue Finanzierungsformen im Tourismus
Im Vortrag habe ich mich vor allem auf das Thema „Crowdfunding“ konzentriert und diskutiert, ob das Instrument nicht eher „alter Wein in neuen Schläuchen ist“. Tatsächlich gibt es die Form und das Prinzip des Crowdfunding schon so lange, wie Geld bereits als Tauschmittel eingesetzt wird (Beispiel Freiheitsstatur). Auch die immer wieder als gute Beispiele angeführten Tourismusfonds (siehe Abbildungen) stellen eine Art des gemeinsamen Poolings von Mitteln von öffentlichen und privaten Partnern dar. Neu – und deshalb aktuell wieder vermehrt diskutiert – sind die Möglichkeiten des Crowdsourcings über das Internet und der verschiedenen Plattformen (siehe Abbildung). Je nach Geschäftsidee bieten sich die verschiedenen Formen an.
Fazit und Thesen zur Finanzierungssicherheit von DMO im Tourismus
Als Fazit habe ich den Vortrag beendet mit der Einschätzung, dass definitiv mehr private Finanzierungsanteile notwendig sind. Hierfür eignet sich vor allem das Instrument der Tourismusabgabe. Einen gänzlichen Schwenk von der öffentlichen zur rein privaten Finanzierung wird es zumindest im Deutschlandtourismus meiner Meinung nach nicht geben. Vermutlich wird dies angesichts der Änderungen im Beihilfe-, Vergabe und Steuerrecht wie vor allem vor dem Hintergrund veränderter Aufgaben und der Rolle der DMO im Netzwerk der Destination auch gar nicht nötig und möglich sein. Es gilt nach wie vor die Prämisse für Veränderungs-/Change-Prozesse: Den Aufgaben folgen die Finanzen. Das war und ist die erste von acht formulierten Thesen (siehe Abbildung).
Ein Beitrag von: Dr. Alexander Schuler